Auf der Suche nach dem Beruf fürs Leben

Das Programm "Handwerk erleben" ermöglicht Menschen ohne Berufsabschluss und Migranten den Einstieg in die maßgeschneiderte Ausbildung

Hanau.  Herr Ayman A. hat ein gutes Gefühl. Er sitzt an diesem Morgen im Schulungsraum für Elektrotechnik der Kreishandwerkerschaft Hanau in der Martin-Luther-King-Straße. Nachdem er bereits in den Beruf des Metallbauers hineinschnuppern konnte, sei er sich nun sicher, dass Elektrotechnik eher das ist, was ihm gefalle, sagt der 23 Jahre alte Syrer. Er ist einer von etwa 20 Teilnehmern des Programms "Handwerk erleben". Während der 42 Wochen dauernden Maßnahme, die vom Kommunalen Center für Arbeit (KCA) finanziert und von der kreiseigenen Gesellschaft für Arbeit, Qualifizierung und Ausbildung (AQA) in Zusammenarbeit mit der Kreishandwerkerschaft Hanau angeboten wird, erhalten Menschen ohne Berufsausbildung sowie Migranten Einblicke in verschiedene Handwerksberufe. Das Ziel ist es, sie so in eine Ausbildung zu bekommen. Im Handwerk, das bekanntlich besonders unter dem Fachkräftemangel leidet, ist die Hoffnung groß, dass sich dadurch die eine oder andere Lücke stopfen lässt.

Das Programm gibt es im Main-Kinzig-Kreis bereits seit 2016. Bis vor zwei Jahren lief die Maßnahme noch unter dem Titel "Migranten in Arbeit". Da mittlerweile jedoch nicht mehr nur Menschen mit Migrationshintergrund die Chance erhalten, sondern auch Langzeitarbeitslose auf diese Weise einen Lehrvertrag bekommen sollen, wurden Inhalte und der Name der Qualifizierung vor zwei Jahren geändert.

Vorne am Lehrerpult des Schulungsraums der Kreishandwerkerschaft Hanau sitzt an diesem Morgen Wolfgang Kootz, vier Jahrzehnte Ausbildungsmeister in der Hanauer Bildungseinrichtung. Ein erfahrener Mann, der schnell erkennt, ob jemand für den Beruf des Elektrikers Talent und die nötige Motivation mitbringt. Bei Ayman A. hat auch Kootz ein gutes Gefühl. Man sehe, dass der junge Mann Interesse habe und auch die Auffassungsgabe für den Job mitbringe, meint er. Der Syrer ist seit sechs Jahren in Deutschland, spricht schon gut Deutsch, weshalb es kaum noch sprachliche Barrieren gibt, die ihm den Zugang in die duale Ausbildung erschweren könnten. Bevor die Mitarbeiter des KCA den jungen Mann für das Programm empfohlen haben, musste er eine Eignungsfeststellung durchlaufen, bei der geprüft wurde, ob er auch wirklich Interesse an einem handwerklichen Beruf hat.

Der Grund: Die Zahl der Plätze ist begrenzt, maximal könnten 24 Teilnehmer pro Kursjahr aufgenommen werden, erklären Andreas Frömel, Projektbetreuer der AQA, sowie der Hanauer Sprachcoach Achim Förstner. Nils Hagenfeld, Sprachcoach in Gründau ist an diesem Tag nicht zugegen. Beide sind für die Betreuung der Teilnehmer und die Koordination des Projekts verantwortlich.

Das Programm begann mit Teambuildingmaßnahmen, bei denen sich die Teilnehmer näher kennenlernen sollten. Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Praxis. Zweimal 4 Wochen werden die Teilnehmer Praktika in verschieden Betrieben (z. B. Elektrohandwerk, SHK-Handwerk…) absolvieren. Vorab erhalten die Teilnehmer Im Berufsbildungs- und Technologiezentrum (BTZ) in Hanau die erforderlichen Grundkenntnisse in den Gewerken Elektrotechnik sowie Sanitär/Heizung/Klima, die sie dann bei ihren im Anschluss stattfindenden Praktika anwenden. Die Praktikumsplätze werden von der Kreishandwerkerschaft Hanau vermittelt.

In weiteren Blöcken können sie sich zudem über Hoch- und Tiefbau, die Fliesenlegerbranche sowie den Beruf des Schreiners und Tischlers informieren. Für die Migranten liegt ein weiterer Schwerpunkt des Programms auf dem Erlernen der deutschen Sprache.

Frömel und Förstner berichten, dass man seit Einführung des Programms insgesamt gute Erfahrungen gemacht habe. "Wenn wir mehr als 50 Prozent der Teilnehmer am Ende in eine Ausbildung bringen, dann sind wir zufrieden", sagt Frömel. Bei der Vermittlung der Ausbildungsplätze spielt die Kreishandwerkerschaft Hanau eine entscheidende Rolle, sagt Achim Förstner. Die KH habe die Kontakte zu den Unternehmen und genieße das Vertrauen der Firmen, deshalb sei sie ein wichtiger Kooperationspartner.

Absolventen des Programms, die eine Affinität zu Metall verarbeitenden Berufen haben, können auch einen Ausbildungsplatz bei der AQA bekommen. Hier sind die Hürden jedoch höher gesetzt. Die Berufsausbildung in der außerbetrieblichen Einrichtung (BaE) ist teuer für das KCA, weshalb die Kandidaten darauf getestet werden, ob sie auch die erforderliche Reife für die Ausbildung mitbringen. Im aktuellen Kurs hat unter anderem Ahmad A. gute Aussichten, einen Ausbildungsplatz zu erhalten, glauben Frömel und Förstner. Der 28 Jahre alte Syrer hat in seiner Heimat bereits eine Ausbildung zum Schweißer gemacht. Seine Dokumente seien jedoch verbrannt, als sein Haus in seiner vom Krieg zerstörten Heimat durch ein Feuer zerstört wurde. Dass er mit dem Schweißgerät umgehen kann, habe er schon bewiesen, sagt Frömel. Seine Jobaussichten nach der Ausbildung bei der AQA seien exzellent. "Alle, die bei uns lernen, haben gute Chancen auf einen Job", sagt der Projektleiter.

Achim Förstner und Andreas Frömel (von links) mit fünf Teilnehmern des aktuellen Programms "Handwerk erleben".